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Leidenschaft

Fotos: PHILIPP HORAK
Text: USCHI KORDA
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Martin Allram baut im Waldviertel alte Getreidesorten an. Biodynamisch nach der Philosophie von Rudolf Steiner. Das ist aufwendig, für den Freund der Erde aber der einzige Weg.

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Reich wird man nicht. Aber ich bin autark und unabhängig. Sagt Martin Allram. Wir sitzen mit ihm im Schatten vor einem wirklich nicht schönen Haus und blicken in die wirklich beeindruckende Weite des Waldviertels. Das Haus, vermutlich in den 1990ern hier am Ortsrand von Merkenbrechts hingestellt, braucht auch nicht schön zu sein, es reicht, dass es nützlich ist. Martin Allram hat es mit den dazu-gehörenden Äckern gekauft und sich darin ein Sammelsurium eingerichtet für alles, was neben seinem Getreideanbau noch so anfällt. Es dient als Lager, in der ehemaligen Garage wird Mehl gemahlen, es gibt einen großen Besprechungstisch und eine kleine Küche mit – wichtig! – einer Espressomaschine. Zur Not könne er auch hier schlafen, sagt Martin Allram, und wir können uns vorstellen, dass das gar nicht so selten vorkommt.

Wir sitzen also jetzt auf ein paar klapprigen Sesseln im Schatten und besprechen, wie alle in diesem Sommer, die ungewöhnliche Hitze. Über 25 Grad hat’s bei uns selten, sagt Martin, die letzten Wochen hatte es aber auch hier oft an die 30. Deswegen wird er heuer auch zwei Wochen früher mit der Getreideernte fertig sein. So gemütlich dasitzen an diesem Augustvormittag können wir jetzt übrigens nur, weil er erst ab Mittag mit dem Mähdrescher loszieht, wenn der Tau der Nacht auf den Körnern so ziemlich abgetrocknet ist.

50 ist Martin Allram heuer geworden und er hat beschlossen, ein bisschen leiser zu treten. Sich von allem zu trennen, was sich so nebenbei anhäuft, wenn man mit Leidenschaft Bauer ist und sich für das Gute, das Ehrliche, das Echte interessiert. Aufs Wesentliche will er sich in Zu-kunft konzentrieren, nämlich den Anbau von alten Getreidesorten nach Demeter. Nudeln hat er schon produ-ziert, auch gesunde Kekse gebacken, alles mit Engagement und mit vollem Einsatz. Irgendwann verzettelst dich, sagt Martin Allram und fixiert irgendwo da draußen in der Unend-lichkeit einen Fluchtpunkt, und jetzt ist es an der Zeit, sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen.

Der wird einmal Bauer, hat schon sein Großvater gesagt, der selbst eine kleine Landwirtschaft hier im Waldviertel hatte. Er starb, als Martin sieben war, und zunächst sah gar nichts danach aus, dass der Bub in der Landwirtschaft landen würde. Er ließ die Stille des Landes hinter sich und tauchte in die Großstadt ein. Nach ein paar Jahren mit etlichen Stationen in der Wiener Gastronomie kehrte er heim, um für seine kranke Oma zu sorgen. Sie hatte eine fuzikleine Landwirtschaft von sieben Hektar, sagt Martin, und weil er jetzt schon einmal da war, unterschrieb er bei der Oma einen Pachtvertrag und begann, ein bisserl was anzubauen.

Eineinhalb Jahre widmete er sich der Pflege seiner Oma und als ihr Leben zu Ende war, landete er wieder in Wien. Hier machte er sein Diplom in Lebens- und Sozialberatung, am Wochenende aber kehrte er zurück ins Waldviertel und kümmerte sich um seine Landwirtschaft, die er auf biodynamisch umgestellt hatte. Nach Demeter, der ältesten Form von Bio, die auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht. Dieser hielt 1924 einen Vortrag in Breslau vor ausgewählten 60 Land-wirten, die sich verpflichten mussten, davor ein recht dickes einführendes Werk zu lesen.

Das war harte Arbeit, sagt Martin und grinst sich eins. Natürlich hat auch er sich durch die Steiner’sche Philosophie geackert und weil da eines immer ins andere greift, lässt sich das nicht so leicht für den Laien kurz zusammenfassen. Rudolf Steiner hat im Sinne von Goethe ganzheitlich gedacht, sagt Martin, und versucht, was im Kosmos, in der Luft, im Wasser, auf und in der Erde geschieht, passend für den Bauern umzumünzen. Da werden zum Beispiel Schafgarbe, Brennnessel und Löwenzahn zum Kompostieren ver-wendet und Kuhhörner mit Kuhfladen gefüllt, bei Wintersonnenwende vergraben und im März wieder her-ausgenommen. Was jetzt vielleicht esoterisch klingt, aber ganz simpel nichts anderes ist, als den Boden aufzubauen.

Das sind präventive Maßnahmen, um den Boden in Ordnung zu bekommen, sprich ihm auf natürliche Weise Natürliches zuzuführen. Der Boden, sagt Martin Allram und schaut dabei so ernst wie einer, der ganz nach seinen Überzeugungen lebt.Der Boden, sagt er also, ist das Immunsystem der Landwirtschaft. Vergleichbar mit dem Darm, wenn’s dem gut geht, geht’s auch dem Menschen gut.

Immer, wenn in ein natürliches System eingegriffen wird, zieht das laut Steiner etwas nach sich, das stört und mit dem man nicht gerechnet hat. Viel Schlimmes ist da schon bis Ende des vorigen Jahrhunderts passiert und hat sich bis zur Gegenwart multipliziert. Daher gilt es, den Boden in seinem natürlichen Zustand zu belassen, dann nimmt er von sich aus nur auf, was er braucht. Auf keinen Fall Chemie. Es dauert Jahre, bis sich die Erde umgestellt hat, und in seiner kleinen Landwirtschaft hat das auch picobello geklappt, sagt Martin.

Dann hab ich mich hinreißen lassen, sagt er, und dabei schwingt ein bisschen Understatement gepaart mit ein bisschen Stolz in der Stimme mit. Vor zwölf Jahren war das, und in den Supermärkten sprang man damals voll auf die Bio-Schiene auf. Wer sich aber auskannte, sah, dass ganz schön viel konventionelle Lebensmittel dazugeschmuggelt wurden. Einen wie Martin hat das ganz schön gefuchst. Da muss man dagegenhalten, sagte er sich, gründete den Verein „Lebendige Vielfalt“ mit und schlug zu, als ein Bauer in der Gegend in Pension ging und seine Felder verpachtete.

Ich dachte mir, mit meinem Vorwissen wird das ein Klacks, auf Demeter umzustellen, sagt Martin und muss dabei über sich selber lachen. Bis heute hält der Demeter-Anbau Überraschungen bereit. Man lernt nie aus, sagt Martin, aber es wird immer leichter. 49 Hektar bewirtschaftet er mittlerweile, und weil sie auf einem Gebiet von 10 Kilometern verstreut sind, kann ihn auch ein Hagel nicht schlimm treffen, weil immer irgendwo was stehen bleibt.

Reich wird man nicht. Aber ich bin autark und unabhängig.

Martin Allram

Er stellte allerdings nicht nur auf Bio um, er spezialisierte sich auch auf alte Getreidesorten. Die haben zwar weniger Ertrag, sagt Martin, den aber konstant. Neben Erler Kolben, einer alten, stabilen Weizensorte, Korosanweizen und Buchweizen baute er Emmer, Dinkel und Einkorn an. Und die ganz seltene Waldstaude, eine uralte Roggensorte mit kleinem Korn, die immer schon hier in der Gegend beheimatet war. Damit hat man im Herbst die Tiere gefüttert, mit dem Stroh die Dächer gedeckt und aus dem Korn Roggenbrot gebacken. Sein feinwürziger Geschmack wird heute noch von Bäckern geschätzt, die ihren Roggen-Sauerteig damit ansetzen.

Weil Martin Allram auch einer ist, der gerne alles unter Kontrolle hat, begann er, seine Körner selbst zu Mehl, Grieß und Reis zu verarbeiten. Alles schonend, natürlich. Zum Mahlen zum Beispiel hat er sich drei Zentrofan-Mühlen zugelegt. Diese schleifen in eingangs erwähnter Garage mit einem ständig zirkulierenden Luftstrom die Körner an einem Naturmahlstein ab. Das Rundumadum, sagt Martin, macht mehr Aufwand als die Landwirtschaft.

Denn selbstverständlich zieht er auch sein Saatgut selbst, damit da ja nichts passiert. Wie ein Haftelmacher muss er aufpassen, weil sich vor allem der Roggen gern einkreuzt. Es war ein mühsamer Weg, sagt Martin und wischt sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn, bis die Anerkennung kam. Einiges blieb dabei auf der Strecke. Der Verein „Lebendige Vielfalt“ zum Beispiel, den er wieder aufgeben musste, ein geplanter Hofladen oder das kleine Geschäft am Wiener Vorgartenmarkt, das für ein Nebenher einfach zu viel Kraft kostete.

Seit ein paar Jahren aber klappt es gut, auch weil Martin einer ist, der seine Philosophie und somit seine Ware mit Begeisterung erklären kann. Am Ende will jeder seine Körndln haben. Aber nicht jeder bekommt sie. Er liefert, und das natürlich persönlich, nur an ausgewählte Reformhäuser und Läden wie etwa den Genussbus auf der Wiener Wieden, an einige Bäcker und an die Gastronomie. Der Floh in Langenlebarn schwört zum Beispiel auf Allram-Getreide, und dass Heinz Reitbauer seit zwei Jahren seine Waldstaudenkörner anstatt Reis zu delikaten Gerichten verarbeitet, freut ihn riesig.

Demnächst, sagt Martin, während die Hitze am Horizont jetzt einen flirrenden Streifen zwischen Himmel und Erde zeichnet. Demnächst, sagt Martin, wird er das Projekt Hofladen wieder aufleben lassen, weil die Nachfrage immer mehr steigt. Auch die Suppenwürze im Glas, die er aus dem Biogemüse in seinem Garten macht, findet reißenden Absatz. In den nächsten Tagen wird er auch noch Marmelade einkochen, weil er gestern so viele Heidelbeeren im Wald gefunden hat. Und dann wäre da noch der Traum von ein paar Kühen für die eigene Fleisch- und Milchproduktion.

Das ist es also, was ein leidenschaftlicher Biobauer unter Leisertreten versteht, denken wir, wäh-rend Martin Allram davoneilt und sich behände ins Auto schwingt. Der Tau auf den Körnern ist nämlich jetzt wirklich schon trocken.

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Geheime Gemüsesorten, der Geschmack von morgen und Kochen für eine bessere Welt: Geschichten über Tradition und Zukunft in der Gastronomie.
Die Artikel sind in den S-Magazinen des Steirereck erschienen und alle vier Monate finden Sie an dieser Stelle neue „Stories“ zu einem ausgewählten Thema.

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